WELCOME BACK. Mit Schrecken habe ich gerade festgestellt, dass zwischen dem letzten Blogbeitrag hier auf houlimouli.de und dem heutigen Datum sage und schreibe über ein Jahr und fünf Monate liegen. WOW. Die Zeit rennt, denk ich mir und schmunzel darüber, wie spießig diese Aussage klingt.

Was in diesen Monaten passiert ist, waren wirklich krass besondere Momente und Entscheidungen: Simon und ich haben geheiratet. Houlimouli.de ging in eine Hochzeitspause, aus der wurde dann eine Buchschreibepause und mein erstes Buch ist im März 2022 erschienen (SAY WHAT?!? – hast du das eigentlich schon? Nein? Na dann loooos…), wir sind im September 2022 in die Schweiz gezogen, wo Simon bis Weihnachten arbeitet, ich mich im Homeoffice versuche und wir ein neues Land mit neuer Kultur kennen und lieben lernen.

Wie startet man also wieder rein, nach so langer Pause?
Ein bisschen fühlt es sich an, als würde man ein altes Auto wieder in Bewegung setzen, dass ewig in der Garage stand und etwas angeschoben werden muss. Und gleichzeitig verspüre ich einen heftigen Aufwind. Eine große Freude, meine Gedanken, Gefühle, Emotionen und noch Unverstandenes, wofür mir Worte fehlen, zu sortieren und für mich verständlich zu machen. Und damit vielleicht auch für dich.

Houlimouli ist für mich ein Ort, wo Platz hat, was unfertig ist. Wo Ehrlichkeit mit ihrer tiefen, verletzlichen Schönheit einen Rahmen findet, der zeigt: So ist das bei mir. Wie sieht das bei dir aus? Häng doch deinen Rahmen hier daneben. Und am Ende staunen wir über eine Galerie voll ehrlicher Schönheit. Die sein darf. Fernab von jeder blankpolierten Perfektion.

Also, starten wir gemeinsam in diese Season houlimouli.de, ja?
Und das will ich, indem ich meinen momentan verletzlichsten Rahmen als erstes in unsere Galerie packe.

Mein Kampf mit der Panik
Der Titel dieses Beitrages hat’s schon verraten. Panikattacken. Ein Zustand, unter dem ich mir vor September 2021 nicht so wirklich was vorstellen konnte.

Panikattacken? Die haben doch vor allem junge, hysterische Teenie-Mädels, die sich da reinsteigern. Aber erwachsene, selbstbewusste, im Leben stehende Frauen? Die sind davon doch niemals betroffen – DACHTE ICH.

Dann kamen unsere Flitterwochen. Nach der Hochzeit und allem, was da auch emotional passiert, wenn man sich von der eigenen Familie abkoppelt und mit seinem Mann neue Family gründet, waren meine Emotionen sowieso schon all over. Und während wir in den Flitterwochen eine so unglaublich schöne Zeit hatten, gab es einen Abend im schönen Siena, an dem ich aus dem Nichts plötzlich das Gefühl hatte, ohnmächtig zu werden. Keine Luft mehr zu bekommen. So schnell es geht wieder ins Hotel zurückzumüssen. Alles wurde eng. Mein Herz raste so schnell, dass ich mir sicher war, ich erleide gerade einen Herzinfarkt. Was war denn das? Ich war völlig überfordert mit mir, meinem Körper und voller Angst. Woher kam das? Wie geht das wieder? Was, wenn das gar nicht mehr geht? Hab ich den Prosecco im Hotel nicht vertragen? Ist das eine allergische Reaktion? Was, wenn ich jetzt ersticke?

Die Nacht war furchtbar. Mein Körper hatte immer wieder so Adrenalin-Flashes, die mich nicht einschlafen ließen und ich war erfüllt mit schierer Angst. Was ich erst viel später erkannte: das war sie also. Meine erste Panikattacke.

Dieses Gefühl kam in den Flitterwochen immer wieder. Aber gut. War ja auch viel Neues. Wird zuhause im Alltag besser. Dachte ich. Aber der Alltag kam. Dieses komische Gefühl und vor allem die Angst VOR diesem Gefühl blieb.

Die nächste und bis dato schlimmste Panikattacke hatte ich einen Monat später im Auto. Ich war auf dem Weg zu meiner Coaching-Ausbildung, von München nach Nürnberg. Die Sonne schien, die Autobahn war nicht zu voll, die Straße trocken. Ich fuhr alleine und freute mich aufs Wochenende. Aus dem Nichts spürte ich, wie Adrenalin durch meinen Magen raste, mein Herzschlag überschlug sich, meine Hände wurden schwitzig und mein Sichtfeld schien scheinbar immer kleiner zu werden. Ich befürchtete, dass ich das Lenkrad nicht mehr halten könnte und in die nächste Leitplanke rasen würde. Oder schlimmer noch: in ein anderes Auto! Ich fuhr panisch raus, rief meine beste Freundin an, fuhr weiter, kam völlig fertig und verschwitzt an. Aber ich hatte es geschafft. Bis heute, die schlimmste Autofahrt meines Lebens.

So konnte es nicht weitergehen. Was hatte sich seit der Hochzeit geändert? Hm. Ich hatte mit dem Hormonring als Verhütungsmittel angefangen. Wir wollten nichts unversucht lassen, also setzten wir den direkt ab. Meinem Körper tat das gut, aber die Panik blieb.

Für uns als frisches Ehepaar war das ganz schön herausfordernd. Für Simon oft nur schwer nachvollziehbar und vor allem nachfühlbar, was da in meinem Kopf und Körper abging. Da er meine sicherste Bezugsperson ist, kamen volle Panikattacken in seiner Gegenwart quasi nie vor. Das machte es noch schwieriger ihn in diese neuen Umstände miteinzubeziehen. Wir redeten extrem viel darüber. War das zu viel? Zu wenig? Kriegte diese Panik zu viel Raum in unserer Ehe? Unserem Leben? Meinem Kopf? Ich wusste es nicht. Aber eines war mir klar: ich komm da alleine nicht mehr weiter.

Mitte November startete ich die beschwerliche Suche nach einem Psychotherapieplatz. Wurde zu Kennenlerngesprächen eingeladen, jedoch mit direktem Hinweis, dass die Wartezeit auf einen Platz 6-12 Monate betrage. Durch eine liebe Bekannte kam ich über Umwege dann im März innerhalb kürzester Zeit zu einem Platz bei einem Therapeuten.

Heute.
Und da befinde ich mich heute. Seit sieben Monaten in verhaltenstherapeutischer Behandlung.  Ich wünschte, ich könnte schreiben, dass ich die Angst und die Panik easy überwunden habe. Im Freundeskreis wurde mir immer wieder zugesichert, dass eine Angststörung zu den wohl am leichtesten und erfolgreichsten behandelbaren psychischen Störungen zählt. Was lieb gemeint war, führte dazu, dass ich mir zu Beginn richtig Druck machte, das mit der Panik so schnell es geht, easy peasy, unter die Füße zu kriegen.

Dem ist nicht so. Also naja. Ja und nein. Es gibt wirklich viele gute Tage und Wochen, aber auch wieder Krisentage, die sich nach heftigem Versagen anfühlen. Noch fast schlimmer als die Panikattacken selbst finde ich diese Angst VOR der Angst. Das lässt mich so viele Momente im Alltag mit angezogener Handbremse erleben. Mich meinen Körper unter ständiger Beobachtung haben. Nachfühlen, ob da bald was kommt? Ist die Angst noch da? Was, wenn sie jetzt ausbricht? Puuuuh.

In Zeiten, in denen ich abgelenkt bin, geht das meistens gut. Aber sobald ich dann wieder in die Ruhe komme, Zeit habe, mich mit mir selbst zu beschäftigen, dann kann das, was alle Achtsamkeits-Gurus als den nicesten Shit erachten, schnell mein kleines Angst-Gefängnis werden.

Alles in allem, ist da mithilfe der Therapie, Simons Unterstützung & a whole lot of Jesus wirklich eine extreme Besserung reingekommen. Was das ganze Thema mit meinem Glauben gemacht hat? Dem widme ich mal einen ganz eigenen Artikel.

Auch, wenn mich die Panikattacken und diese Grundhandbremsennervositätsangst haben oft unwohl fühlen lassen, dann habe ich der Angst eine Sache nie erlaubt: mich davon abzuhalten, was ich gerne tun möchte. Diese Einstellung lässt mich heute das Haus verlassen, ins Auto steigen, in Restaurants oder auf die Bühne gehen, auch wenn ich kurz vorher in meinem Stuhl sitze und denke, ich erleide mit dem ersten Schritt auf die Bühne direkt einen Herzinfarkt. Denn sobald die Angst Raum bekommt, vergrößert sie ihn stetig und lauert auf einmal hinter allem, was vorher noch ganz normal machbar schien. Und das möchte ich niemals zulassen.

Puh. Da hängt er nun. Mein Rahmen. Es gibt noch so viel, was ich über die Panik gerne schreiben würde. Aber für heute war das mein erster Schritt. Denn Panik und Psychotherapie fühlen sich für mich noch viel zu oft nach (Charakter-)Schwäche an. Nach etwas, dass man besser nicht mit anderen teilen sollte, weil man so jeden Respekt, jedes Ansehen, jedes Vertrauen in die Fähigkeiten und Stärke einer Person verliert. So roh und unfassbar verletzlich. Aber genau darin liegt auch irgendwie die Schönheit. Und das Hand ausstrecken und sagen: da schau mal. Das ist mein verletzlichster Kern. Ich bin Mensch. Und du bist es auch. Lass uns gemeinsam unsere Stärke in all unserer Verletzlichkeit feiern. Uns in Herausforderungen gegenseitig die Arme hochhalten. Und dem leisen Flüstern des Heiligen Geistes glauben, der liebevoll verspricht, dass er in all unseren Schwächen stark ist.


Melli
…die sich nach diesem Beitrag fix und foxy fühlt,
aber mehr als dankbar ist, ihr Herz
auf Papier gebracht zu haben.