Aktuell sitze ich in einem „Female Leadership Seminar“ auf dem „Kongress christlicher Führungskräfte“, habe den Laptop ausgepackt, weil, wie erwartet, aber anders gehofft, mir mal wieder gesagt wurde, dass Frauen einfach mal machen sollen und lange genug unterdrückt wurden. Nachdem mir dann noch „IHR SEID KLASSE! IHR SEID KLASSE! IHR SEID KLASSE!“ ins Gesicht gebrüllt wurde und alle anderen Frauen im Publikum quietschend klatschten, hat sich jedes Klischee, das ich zu so Frauenworkshops habe, mal wieder bestätigt und ich habe innerlich, wie äußerlich, abgeschaltet.

Dieser Kongress ist sowieso gefüllt mit zu vielen Anzugträgern, die schon zu viele runde Geburtstage in ihrem Leben feiern konnten und Frauen, die in der Führungsriege generell eher Mangelware sind, scheinen hier Minusware zu sein. Klar. Das, was in Unternehmen vielleicht langsam ankommt, braucht in der Christenwelt mal wieder ein paar Jahrzehnte länger.

Was ich da gerade mache? Das, was mich eigentlich so unfassbar und tierisch an unserer Christenheit nervt. Und ich bin erschrocken, wie schnell ich selbst da reinrutsche: B A S H I N G – ohne Ende. Das Haar in der Suppe finden. Die eigene Mannschaft anbrüllen und niedermachen und sich dann wundern, dass das eigentliche nicht erreicht wird. Aber gut, das gibt ja wieder genügend Gründe zu kritisieren.

Was mich zu der Frage führt: Haben wir eigentlich den Arsch offen? Oder was geht da bei uns? Ich bin zutiefst erschüttert, was die Tage auf Social Media abgeht. Wo sich der Hate in gut verpackte theologische Wahrheitsansprüche kleidet und überschlägt. Wo sich namenhafte Verlagshäuser von Influencern distanzieren, sich die gleichen namenhaften Influencer mit rechtsradikalen Gedankengütern in Verbindung bringen lassen und das Mysterium nicht auflösen, wo die unantastbare Würde des Menschen an theologische Einstellungen geknüpft wird, wo das Thema Homosexualität in Gemeinden bessere Brände auslöst als jeder Grillanzünder und Meme-Seiten auf Instagram zu neuen Nachrichtenagenturen werden, die darüber informieren, was in unserer christlichen Bubble gerade so Dramatisches passiert.

All das löst so dermaßen heiligen Zorn bei mir aus, dass ich, getreu nach dem Motto WWJD ein paar Tische umschmeißen möchte.

Warum?

Weil, sei es das Bashen von Frauenseminaren, Männer-dominierten Kongressen, „Christfluencern“, Artikeln, Büchern, Gemeinden, die mit „und“ anfangen oder ein „Hill“ und ein „Song“ in ihrem Namen tragen oder die LGBTQ+ feiern oder LGBTQ+ als unbefreite Sünder feiern – all das ist doch erstmal völlig Nebensache, oder?

Und bevor die ersten (Hobby-)Theologen jetzt rücklings vom Stuhl kippen und mich in die Schublade „lauwarme Werteverfall-Leugnerin ohne Rückgrat“ packen, hier eine kleine Erläuterung:

Inmitten von allem Diskutieren und die Lanze für Wahrheitsansprüche brechen, vergessen wir doch eins:
WIR HABEN EINEN AUFTRAG.

Und der wird nicht beschrieben mit: „Geht hinaus und sorgt dafür, dass die Christenheit sich gegenseitig immer wieder ihre Wahrheitsansprüche um die Ohren ballert!“. Stattdessen gibt Jesus uns, seinen JüngerInnen folgenden Auftrag:

Ich habe von Gott alle Macht im Himmel und auf der Erde erhalten. Deshalb geht hinaus in die ganze Welt und ruft alle Menschen dazu auf, meine Jünger zu werden! Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen habe. Ihr dürft sicher sein: Ich bin immer bei euch, bis das Ende dieser Welt gekommen ist!

– Matthäus 28, 18-20

Sheeeeeshhhhh… das ist mal ne direkt und klare Ansage! Und wenn ich da ein wenig in die Selbstreflektion einsteige, stelle ich fest: Solange ich diese Hausaufgabe nicht ehrlich und ernsthaft mache, brauche ich mit der restlichen Theologie doch gar nicht erst anfangen. Solange ich nicht checke, dass meine Aufgabe nicht ist, andere Christen auf ihre Unzulänglichkeiten hinzuweisen, sondern mich mit ihnen, über alle theologischen Ungleichheiten hinweg, EINS zu machen und uns gegenseitig in diesem Auftrag zu unterstützen, frage ich mich, ob ich das Evangelium überhaupt gecheckt habe.

Und deshalb will ich mich selbst challengen und dich gerne auch, wenn ich darf:

Lass uns in diesen Zeiten, in der Krieg in unserer zarten Generation so nahe scheint, wie nie zuvor, doch den Klappstuhl bzw. das Kriegsbeil begraben und den klammernden Griff von der Angst lösen, dass das nur zu einem Werteverfall a là Sodom und Gomorra führen kann.

Und uns stattdessen doch gemeinsam wieder dem wichtigsten Auftrag widmen, den uns Jesus höchstpersönlich aufgetragen hat.

Weil diese Welt, inmitten von all dem Chaos, inmitten von Pandemien, Kriegen, Ungerechtigkeiten, Minderwert, Selbstzweifeln, Suizidversuchen, Familienstress, sexuellen Übergriffen, Mobbing, unfairen Profs und Chefs UNBEDINGT hören muss, dass es einen lebendigen, gerechten, liebenden Gott gibt, der sich nichts sehnlicher wünscht als eine persönliche Beziehung mit dir und mir und all den Menschen in unserem Umfeld.

Also los. Worauf warten wir. Lass uns die Ärmel hochkrempeln und uns endlich an die echte Arbeit machen.

Melli
…die, trotz heiliger Wut,
mit der Kraft ihres Bizeps wohl nur
erschreckend wenige Kongresstische
wirklich umschubsen könnte…